Ehemaliges Stadthaus musste dem Rathaus weichen.
Ein Jubiläum der besonderen Art feiert Ende Januar das Helmstedter Rathaus: Am 26. Januar 1906 wurde der im neugotischen Stil errichtete Bau von der Stadtverwaltung bezogen. Das ehemalige Stadthaus war zu klein geworden und wurde abgerissen. Anlässlich des Jubiläums gibt die Stadt Helmstedt für geladene Gäste am 26. Januar 2006 im Sitzungssaal des Rathauses einen Empfang.
Lesen Sie hier von der Entstehung des Rathaus-Neubaus:
Kommen Sie mit auf eine Zeitreise! In eine Zeit, in der das Stadtbild Helmstedts von Pferdefuhrwerken geprägt war, in der es Autos nur vereinzelt gab. Der Normalbürger leistete sich ein Fahrrad. 1894 hatte ein Helmstedter den ersten hier zugelassenen Pkw gekauft. Benzin verkaufte die Apotheke. Natürlich gab es schon die Reichsbahn, die die Verbindung zwischen den Dörfern und Städten herstellte. Das heutige Bahnhofsgebäude stand schon, die Unterführung, die die Bahnsteige 1 und 2 verbindet, allerdings noch nicht. Ein Brief kostete damals 5 Pfennige Porto, eine Karte 2 Pfennige. Von den Geschäften, die vielen Helmstedtern noch bekannt sind, gab es bereits die Firmen Homeyer und Strotmann, August Fuhrmann, Carl Carutz, Gustav Gerlach, Theodor Ahrens, Wilhelm Stegemann, das Café Förster und das Baugeschäft Döring und Lehrmann, die teilweise heute noch existieren.
In dieser Zeit - Helmstedt war mit 6.500 Einwohnern die drittgrößte Stadt des Herzogtums (größer waren Braunschweig und Wolfenbüttel) - auch die Überlegungen, dass die Räumlichkeiten des damaligen Stadthauses für die Erledigung von neuen Verwaltungsaufgaben nicht mehr ausreichten und deshalb an einen Neubau gedacht wurde. Der erhöhte Verwaltungsaufwand bedeutete darüber hinaus natürlich auch zusätzliches Personal.
Ein Brand im Jahr 1902, der die geringe Feuersicherheit des Gebäudes bewies, trug außerdem dazu bei, dass man Stadtbaumeister Schellenberg beauftragte, einen Entwurf für ein neues Verwaltungsgebäude vorzulegen. Im November desselben Jahres lagen dann die ersten Skizzen auf den Tischen der Stadtbehörden.
Dazu muss man wissen, dass die Zeit um 1900 eine große Zeit für Neubauten von Rathäusern (Braunschweig 1900, Hannover 1903, Leipzig 1905, München 1908) war. Die Städte waren durch die Gründerzeit auf dem Gipfel eines erheblichen wirtschaftlichen Aufschwungs angelangt. Mit einem prachtvollen Rathausbau wollte man den gestiegenen Einfluss und die Bedeutung der Kommunen zum Ausdruck bringen. Auch war die Repräsentation ein wesentlicher Gesichtspunkt für den Neubau.
Nachdem der Entwurf Schellenbergs auch die Zustimmung des herzoglichen Staatsministeriums in Braunschweig fand, wurde im Juli 1903 mit dem Abbruch des Stadthauses und dem Neubau des Rathauses begonnen.
Die Fa. Döring und Lehrmann erhielt den Auftrag für den Abbruch des Stadthauses. Dieses Bauunternehmen hatte sich nämlich im Gegensatz zu anderen Maurermeistern bereit erklärt, die Arbeiten kostenlos auszuführen, sofern der Firma der Bauschutt überlassen würde. Die nicht verkäuflichen Teile wurden von der Firma zum „Durchbruchplatz“ (heute Wallplatz) gebracht. Es ist deshalb davon auszugehen, dass man bei archäologischen Grabungen dort auf die nicht verwertbaren Reste des alten Stadthauses stoßen würde.
Das neue Rathaus wurde bei der damals üblichen Anleihe an die Gotik des Mittelalters im neugotischen Stil aus blankem Sandstein errichtet. Die Maurer- und Steinhauerarbeiten wurden ebenfalls von der Fa. Döring und Lehrmann ausgeführt. Das Material kam aus den Steinbrüchen bei den Holzmühlen im Brunnental und aus den Sandsteinbrüchen in Wefensleben. Aus den Wefenslebener Platten wurde z. B. die ganze Seite der Kornstraße gefertigt. Ein wenig Kritik musste Baurat Schellenberg in Kauf nehmen: Er ließ den Giebel mit Renaissanceformen verzieren und errichtete die Fenster in Spätgotik. Im Inneren wählte er den Jugendstil. Dieser Stil galt um die Jahrhundertwende als der letzte Schrei der bildenden Kunst. Die Bauarbeiten für das neue Rathaus waren 1905 vollendet.
Die Diensträume der städtischen Verwaltung wurden inzwischen in dem damals leerstehenden Hotel „Erbprinz“ untergebracht. Am 26.01.1906 war es dann soweit: der Neubau konnte bezogen werden. Schon damals mussten die Stadtväter damit klarkommen, dass die veranschlagten Kosten überschritten wurden. Der Bau einschließlich der Inneneinrichtung betrug 334 749,80 Mark, veranschlagt waren 225.000 Mark.
Das Portal des ehemaligen Stadthauses und ein Fensterbogen sind heute noch zu sehen. Im Haus Mosheimstraße 1 wurden diese Teile beim Hausbau integriert.