Gemaltes Scheinfenster gaukelt reichhaltigere Fassade vor
Wer mit offenen Augen in der Schuhstraße unterwegs ist, wundert sich bei genauer Betrachtung am Haus Nr. 9 über ein Fenster im Obergeschoss, das keines ist. Im Rahmen der Sanierungsarbeiten des dortigen Wohnquartiers wurde deutlich, dass die lange Zeit verborgene Fachwerkfassade hinter der um 1866 vorgemauerten Putzfassade noch so gut erhalten und so wertvoll war, dass sie trotz bauphysikalischer Bedenken wieder sichtbar hergestellt werden sollte.
Beim Abbau der vorgestellten Wand traten neben der für Helmstedt typischen Fachwerkgliederung Gefache mit aufgemalten „Ranken“ und einem Scheinfenster zu Tage. „Dieses Gestaltungselement diente im Barock dazu, dem Betrachter die Illusion einer schöneren oder reichhaltigeren Fassade zu geben“, erklärt die städtische Denkmalpflegerin Doris Noll. Die Ranken stellten sich bei näherer Untersuchung als barocken Schriftzug heraus mit dem Namen des Eigentümers Arnold Lübeck, der dort ein Gewerbe als Maler und Dekorateur betrieb. Er hat vermutlich auch die Vormauerfassade anbringen lassen, die über hundert Jahre zu sehen war und das Fachwerk verhüllte.
„Die restauratorische Untersuchung, die vom Landesamt für Denkmalpflege begleitet wurde, zeigte, dass das Gefach des gemalten Fensters mit Backsteinen ausgefacht, mit Strohlehm und einem dünnen Kalkmörtel verputzt ist und abschließend bemalt wurde“, führt Noll weiter aus. Auf dem Scheinfenster sind mit Kreide eine Signatur und das Datum 1866 zu sehen. „Dies gehört jedoch nicht zur eigentlichen Bemalung, sondern wurde wahrscheinlich als „Graffiti“ von den Handwerkern aufgebracht, die die Vormauerfassade anbrachten“, mutmaßt die Denkmalpflegerin.
Trotz der Hohlschichten im Putz und der absplitternden Malschicht konnten die Malereien gereinigt und restauriert werden. Zum Schutz der empfindlichen Materialen vor Schlagregen wurde eine hinterlüftete Glasscheibe montiert. So kann sich nun die Fachwerkfassade mit dem auskragenden Obergeschoss, dem Scheinfenster und dem Schriftzug als wichtiger Baustein des Straßenzuges in der Schuhstraße präsentieren.
Die Kreis-Wohnungsbaugesellschaft (KWG) als Vermieter des Objektes teilt mit, dass die Wohnungen des Hauses Schuhstr. 9 ab Juli bezugsfertig sind. Mietinteressenten können sich direkt an die KWG wenden.